Mehr als Kalkberg und Karl May: Bad Segeberg

Wenn Winnetou und Old Shatterhand zwischen den Publikumsreihen entlanggaloppieren und lauthals Indianer-Geheul und Pistolenschüsse erklingen, ist das für die meisten wohl Bad-Segeberg-Feeling pur. Doch die Kreisstadt kann noch so viel mehr als Kalkberg und Karl May. Bad Segeberg ist Naturidylle, Kulturstadt und ein Ort, an dem inhabergeführte Läden und besondere Restaurant-Konzepte zum Bummeln und Verweilen einladen.

Eine Frau in Winterkleidung steht am Großen Segeberger See und dreht eine spiralförmige Metallkonstruktion in den gefrorenen See.
© Textkombüse

Während sich das Theater am Kalkberg noch im Winterschlaf befindet, machen wir uns auf, um die andere Seite von Bad Segeberg zu entdecken. Unser Weg führt uns vom kleinen Parkplatz aus in Richtung Großer Segeberger See. Richtig gelesen: Segeberg hat einen See, und zwar einen – wie der Name verrät – ziemlich weitläufigen. Ganze 178 Hektar misst das Gewässer und kann mit dem bekannten Einfelder See in Neumünster locker mithalten. 

Imposante Kunst trifft auf Naturidylle

Doch bevor es an die Seepromenade geht, fällt eine Gruppe imposanter Figuren besonders ins Auge. Fünf hohe Stelen aus Stahlbeton, überzogen mit einem unregelmäßigen Muster, stehen auf der Wiese und beeindrucken vor allem mit ihrer Höhe. Wer sich näher mit dem Werk auseinandersetzt, erfährt, dass es von dem Fotografen und Bildhauer Klaus Kammerich als Beitrag für das Kulturelle Rahmenprogramm des Schleswig-Holstein Musik Festivals 1992 stammt. Es zeigt „He Dog“, den Häuptling der Oglala-Lakota-Sioux, der in den 1860er und 1870er Jahren bei dem letzten großen Freiheitskampf der nördlichen Prärieindianer gegen die US-Amerikaner dabei gewesen sein soll. 

Am See führt schließlich ein Weg entlang, vorbei am dicht bewachsenen Schilfufer über kleine Holzbrücken entlang des Gewässers. Besonders im Winter strahlt der See mit seiner hauchdünnen Eisschicht und der zarten Schneedecke eine unglaubliche Ruhe aus und lässt den Kopf so richtig entspannen. Inmitten dieses beruhigenden Naturerlebnisses liegt eine kleine Insel, die fast das ganze Jahr über unter dem Wasser im Verborgenen liegt. Einmal um den See herum sind es übrigens gut 7,5 Kilometer, also zirka 90 Minuten zu Fuß. 

Das bedeutendste romanische Bauwerk des Nordens

Nur einen Steinwurf vom Großen Segeberger See entfernt steht wohl eines der schönsten Gebäude der Stadt: die Marienkirche. Sie gilt als eines der bedeutendsten romanischen Bauwerke Norddeutschlands und ist ein beliebter Austragungsort für Chor- und Kammermusikkonzerte. Vom rund 60 Meter hohen Kirchturm soll man einen wundervollen Blick auf Bad Segeberg haben. Getoppt wird dieser nur von dem Gipfel des Kalkbergs, von wo aus man einen Rundum-Blick auf die Kurstadt im Herzen Schleswig-Holsteins hat. Und wer den Kalkberg von oben begutachtet hat, kann auch gleich noch in ihn hineingehen (April bis September). In den Kalkberghöhlen fühlen sich mehr als 30.000 Fledermäuse wohl und bei einer Führung mit dem Noctalis-Team geht es durch das verwinkelte Höhlensystem des Stadtwahrzeichens.

Eine junge Frau schaut sich die Ausstellung im Museum Segeberger Bürgerhaus an.
© Textkombüse

Segeberger Bürgerhaus zeigt Alltag und Wohnkultur aus früheren Zeiten

Wer sich einmal intensiver mit dem Kalkberg auseinandersetzen möchte und was dieser eigentlich für die Menschen in Bad Segeberg früher und auch noch heute bedeutet, der ist bei unserem nächsten Stopp genau richtig. Im Museum „Segeberger Bürgerhaus“ geht es auf eine spannende Reise durch die Entstehungsgeschichte des Kalkbergs – über den Abbau von Gips und die Fertigung zu Böden und Figuren bis hin zum Bau des Theaters. Doch das Museum bietet noch mehr als das. Als uns Museumsleiter Paul Jeute an der Klöntür des alten Fachwerkhauses begrüßt, merkt man sofort: Hier brennt einer für die Geschichte des Hauses und die Wohnkultur aus früheren Zeiten. In mehreren Räumen entdecken wir, wie die Menschen früher wohl in Bad Segeberg gelebt haben und was dieses Haus schon alles für Bewohnerinnen und Bewohner erlebt haben muss. 

Ein Teil des historischen Stadtmuseums ist übrigens der wechselnden Sonderausstellung des Hauses vorbehalten. Hier werden unterschiedliche Bezüge zu Bad Segeberg und der gesamten Region hergestellt. Noch bis zum 3. März erfahren die Besucherinnen und Besucher mehr zur Geschichte des Bürgerhauses selbst. Es folgen Sonderausstellungen zu Souvenirs aus Bad Segeberg, Umbrüche nach 1945, eine Ausstellung über die Karl-May-Spiele im Sommer und schließlich anschauliche Informationen zur NS-Zeit in der Kreisstadt.

Einkehren im Café Spindel 

Nach dem spannenden Einblick in die Geschichte der Stadt muss eine Stärkung her. Im Café Spindel werden wir fündig. In den ehemaligen Geschäftsräumen der Wollspinnerei Blunck herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Das liegt nicht nur an der schlichten und stilvollen Einrichtung sowie den Bildern an den Wänden, die an die Spinnerei erinnern, sondern auch an den Menschen, die hier arbeiten. Denn in dem von den Segeberger Wohn- und Werkstätten betriebenen Café-Restaurant arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen und geben den Gästen ein außergewöhnlich herzliches Gefühl. Dazu kommt noch das hochwertige Speisenangebot, das vor allem auf regionale und saisonale Kost setzt. Am Ende des Tages ist eines auf jeden Fall klar: Bad Segeberg lohnt auch außerhalb der Festspiel-Saison.

Jana Walther - Portraitfoto

Von Jana Walther

Jana ist als gebürtiges Nordlicht bei Wind und Wetter in Schleswig-Holstein unterwegs – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Orten und spannenden Geschichten. Wenn sie mal nicht bei einem Cappuccino mit Meerblick in ihrer Heimat Kiel in die Tasten haut, findet man sie abseits des Trubels auf unbekannten Pfaden in den Naturschutzgebieten des Landes.