GreenTEC Campus: So sieht es aus, wenn die Zukunft neu gedacht wird

Das Zukunftslabor für die Welt steht in Enge-Sande. Auf dem GreenTEC Campus entwickelt Marten Jensen mit seinem Team Konzepte für nachhaltige Mobilität, klimafreundliche Digitalisierung, zukünftige Ernährung und grüne Energien.

Zwei Männer spielen Padel auf einem Tennisplatz auf dem GreenTEC Campus.
Padel-Tennis – auf dem GreenTEC Campus eine beliebte Aktivität. © Sven Wied/raufeld

Marten Jensen, der Visionär muss in die Zukunft blicken, ohne zu wissen, was genau passieren wird. Wo nehmen Sie Ihre Motivation her, immer weiterzumachen?

Unsere Aufgabe ist es, den Menschen Mut zu machen und zu zeigen, wie Zukunft gelingt. Dazu gehören nachhaltige Technologien, aber wir brauchen auch Vertrauen in uns selbst. Wir wollen Ängste in Begeisterung verwandeln.

Menschen, die aus Interesse auf den GreenTEC Campus kommen oder in unserem Wellensimulator für den Einsatz auf hoher See gegen drei Meter hohe Wellen ankämpfen, alle gehen gestärkt und für die Zukunft gerüstet wieder nach Hause.

Es geht aber nicht nur um physische, sondern um mentale Widerstandskraft. Die Zuversicht, nach vorne zu schauen, darum geht’s. Das Vorne ist das Ziel!

Auf dem GreenTEC Campus forschen und entwickeln Sie an einer ganzen Reihe von Zukunftsthemen. Welche Bereiche gibt es?

Unsere Arbeit mit GreenTEC beschäftigt sich mit 4 Bereichen:

  1. Energiewende
  2. elektrische und automatisierte Mobilitätswende
  3. Digitalisierungswende
  4. Ernährungswende

Wir versuchen, den Dreiklang Mensch-Natur-Technik in die Praxis zu übersetzen. Was nützt mir die modernste Technik, wenn mir die Menschen fehlen, um sie zu bedienen? Wie gelingt es, diese Menschen körperlich und mental so fit zu halten, dass sie nicht nur Spaß an ihrer Arbeit haben, sondern sich jeden Tag aufs Neue für die Zukunft begeistern?

Wie setzen Sie das auf dem GreenTEC Campus um?

Uns geht es darum, eine gute Balance zu finden. Einerseits haben wir Start-ups auf dem GreenTEC Campus, die an Lösungen für ein besseres Morgen arbeiten. Andererseits sind wir hier in Enge-Sande auch Bundesligastandort für Padel-Tennis.

In Schweden gibt es viele Firmen, die vor und nach wichtigen Meetings eine Runde Padel spielen. Neben dem körperlichen Ausgleich geht es auch darum, herauszufinden, wie mein Gegenüber tickt. Ist das ein Draufgänger oder geht er eher strategisch vor? Am Ende sorgen solche Formate für ein produktiveres und entspannteres Miteinander.

Der GreenTEC Campus in Enge-Sande war früher ein Munitionsdepot der Marine. 2008 haben Sie das Areal gekauft. Welche Idee steckte dahinter?

Ich habe 35 Jahre in der Windbranche gearbeitet. Marten Jensen – das war da immer der Verrückte, der die Zukunft im Offshore-Bereich gesehen hat.

Am Anfang stand die Idee, ein Trainingsgelände für die Offshore-Industrie zu etablieren. Stellen Sie sich vor: In Windparks arbeiten Menschen 200 Kilometer vor der Küste in 150 Metern Höhe in 100 Meter tiefen Blättern. Die dürfen sich nicht den Knöchel brechen oder bewusstlos werden. Ohne Schutz- und Rettungskonzepte darf da also kein Mensch raus – und wenn niemand raus darf, findet die Energiewende nicht statt.

Meine Idee: Wir müssen die Menschen unter Realbedingungen trainieren, sonst hat das keinen Sinn! Versuchen Sie mal, einen Verletzten aus der Tür im Turmfuß auf tosender See in einen Helikopter zu bekommen, der bei Sturm 80 Meter über der Anlage schwebt.

© facettenfilm/raufeld
Zwei Männer begutachten Algen in einem Wasserbecken auf dem GreenTEC Campus.
Zukunftstechnologie zum Anfassen: Diese Algenfarm wird über Abwärme von Servern betrieben, die wiederum mit Windenergie laufen. Dahinter steckt die Firma WindCloud. © Sven Wied/raufeld

Menschen trainieren das Überleben im Wasser zwischen meterhohen Wellen bei Ihnen auf dem GreenTEC Campus?

Mit dem Maritimen Trainings-Center MTC, haben wir den leistungsfähigsten Wellensimulator der Welt. In unserem Becken bewegen wir 1,5 Millionen Liter Wasser und erzeugen Wellen mit bis zu 2,5 Metern Höhe. Mittlerweile schicken Länder aus der ganzen Welt ihre Spezialeinheiten zu uns, um den Umgang mit der Naturgewalt Welle zu trainieren. Die hatten wir ursprünglich gar nicht auf dem Schirm.

Ist dieses Training den Spezialkräften vorbehalten, oder gibt es auch die Möglichkeit, als Privatperson teilzunehmen?

Wir haben im MTC mit dem Ocean Warrior ein Angebot, das es auch Besuchern ermöglicht, Extremsituationen zu erleben.

Das Programm ist in drei Kategorien unterteilt:

  1. Bei „Empowerment“ stellen wir die Wellen passgenau auf die Gruppe ein und man entspannt bei rotem Licht und Musik.
  2. Bei „Finding“ braut sich der Sturm zusammen, da geht es dann um Zusammenhalt in der Gruppe, nach dem Motto: „Are you ready?“.
  3. Was danach kommt ist „Sea Survival“ vom Feinsten: Ich kriege keine Luft, die Wellen werden mir nur so ins Gesicht geschleudert, ich darf nicht in Panik geraten.

Bei den Kräften, die dort wirken, gehen Sie durch die Hölle. Aber ich verspreche zugleich: Wer hinterher aus dem Wasser steigt und die Prüfung gemeistert hat, ist an seine Grenzen gegangen und mental wie physisch für die Zukunft gewappnet. Wie gesagt, das Vorne ist das Ziel.

Es ist noch nie etwas dabei passiert. Wir haben bei jedem Training Rettungstaucher im Wasser, es sind Sanitäter vor Ort und – ganz wichtig – wir legen viel Wert darauf, die Teilnehmer vorher mental vorzubereiten.

Ich habe das zweimal mitgemacht und ich sage Ihnen: Danach ist man voller Glückshormone!

Wie erproben Sie in Enge-Sande auf dem GreenTEC Campus weitere Zukunftstechnologien?

Die internationale Automobilbranche nutzt auf dem GreenTEC Campus das 17 Kilometer lange, abgeschirmte Straßennetz inklusive Hochsicherheitsbereich, um hoch automatisierte Systeme zu testen. Seit 2018 ist der autonome E-Bus „EMil“ als Shuttle bei uns unterwegs, heute ist er das intelligenteste Elektronom in Europa. Wir rüsten Dieselbusse zu E-Bussen um.

Mit „Easywind“ haben wir hier in Enge-Sande die erste zertifizierte Kleinwindanlage der Welt entwickelt. Mit unserem AGRI-Solarkonzept sind Tierhaltung und Anbau von Nutzpflanzen bei gleichzeitiger Erzeugung von Solarenergie möglich, weil die Solarpanels lichtdurchlässig sind und auf einem höhenverstellbaren System inklusive Bewässerungsfunktion installiert sind.

Und wir haben auf dem GreenTEC Campus ein grünes Rechenzentrum, das in Zukunft in den ehemaligen Munitionsbunkern nicht nur sehr sicher ist, sondern auch zu 100 Prozent mit grünem Strom betrieben wird. Die Abwärme der Server nutzen wir, um in Gewächshäusern Algen zu produzieren, deren Heilwirkung medizinisch getestet ist und die darüber hinaus sehr viel CO₂ absorbieren können.

Was macht den Standort in Enge-Sande so attraktiv?

Auch Hightech-Ingenieurinnen und -Ingenieure achten auf Work-Life-Balance. Und das funktioniert hier an der Nordsee sehr gut. Sie arbeiten gerne dort, wo sie einen Strand in der Nähe haben, wo sie mal eben nach Sylt fahren können oder in der Mittagspause knapp 130 Hektar Naturpark direkt vor der Bürotür haben. So groß ist nämlich der GreenTEC Campus. Darauf verteilt: 13 verschiedene Biotope, die sich geschützt entwickeln konnten, weil das Areal 50 Jahre lang eingezäunt war.

Der Campus ist für Interessierte geöffnet, wer kommt, um GreenTEC zu erleben?

Zu uns kommen sowohl Geschäftsleute, die Inspiration suchen, als auch Urlauberinnen und Urlauber, die Zukunftstechnologien in Anwendung sehen möchten. In unserer offenen Mensa gibt es guten Kaffee, vegetarische Speisen (nach Anmeldung) und natürlich kann man unsere selbst angebauten Algen probieren. Außerdem bieten wir für regionale Schulklassen kostenlose Besuchertage an. Wir freuen uns über jeden Gast, der sich dafür interessiert, wie viel Zukunft heute schon möglich ist.