Die letzten Wilden – Koniks in der Geltinger Birk

Noch scheint die Sonne, als sich die Wandergruppe auf dem Parkplatz an der Geltinger Birk versammelt. Während unser heutiger Tourguide Paula Radzimanowski erzählt, dass es wohl ein ganz schönes Stück zu Fuß zu den Wildpferden sein wird, packe ich lieber noch schnell meine Regenjacke ein, bevor es dann strammen Marsches losgeht.

Eine Gruppe von Menschen wandert durch die Geltinger Birk. Ein Wegweiser zeigt den Weg an.
© Textkombüse

Das Naturschutzgebiet mit seiner einzigartigen Küstenlandschaft liegt friedlich da. Rechts die Salzwiesen, links das Meer – was für ein Ausblick! Allein dafür hat sich die gute Stunde Autofahrt von Kiel aus bereits gelohnt. Die Geltinger Birk ist zwar kein Geheimtipp mehr, doch die verschiedenen Wanderwege sorgen dafür, dass sich die Besucher gut verteilen. Wer Ruhe und unberührte Landschaften sucht, ist hier also genau richtig.

Es geht an der Mühle Charlotte vorbei – das Wahrzeichen der Birk. Das Schöpfwerk neben dem markanten Bauwerk ist noch immer in Funktion und pumpt überschüssige Wassermassen zurück in die Ostsee. Die Mühle selbst ist heute in Privatbesitz und beliebtes Fotomotiv, auch von unserer heutigen Wandergruppe. Doch da wartet noch mehr auf uns. Denn wir wollen zum aller ersten Mal die Wildpferde Schleswig-Holsteins sehen – und natürlich vor die Kamera bekommen.

Bisher entdecken wir nur zahlreiche Nonnengänse auf den Wiesen und eine Gruppe Kormorane, die es sich in einem kahlen Baum gemütlich gemacht hat. Wir folgen dem Konik-Pfad, der hier gut ausgeschildert ist. Mit Paula an unserer Seite, die gerade ein Freiwilliges Ökologisches Jahr beim Förderverein Geltinger Birk absolviert, dürfen wir ausnahmsweise von den offiziellen Wanderwegen abkommen. Denn sie weiß ganz genau: Die Herde grast heute etwas abseits, wo sonst keine Wanderer hinkommen. „Eines der Tiere ist mit einem GPS-Sender ausgestattet“, erklärt sie. Das ist für den Förderverein, der sich um die Tiere kümmert, wichtig zu wissen – und wir können uns bei der Wanderung wirklich sicher sein, die Tiere zu entdecken.

Eine Herde Wildpferde läuft durch die Geltinger Birk. Ein kleines Fohlen läuft im Vordergrund.
© Textkombüse

Es geht über eine feuchte Wiese als einer jungen Frau aus der Gruppe ein fröhlicher Jubelschrei entwischt. „Ich hab eins gesehen!“ Und tatsächlich. Links neben uns hinter den Büschen taucht eines der mausgrauen Pferde auf. Ein paar Meter weiter und wir entdecken die ganze Herde – ein ganz besonderer Moment. Die Pferde schauen neugierig, rennen nicht weg, bleiben aber auf Abstand. Jetzt haben wir reichlich Zeit, die Koniks zu bestaunen und erfahren von Paula viel Wissenswertes über die Herde und wie sie überhaupt hier nach Schleswig-Holstein gekommen ist.

Heute gehören zirka 60 Wildpferde in die Birk. Angefangen hat alles 2002 mit elf Tieren. Diese kamen aus den Niederlanden, wo man die Koniks schon seit den 80er-Jahren zur Landschaftspflege einsetzt. Ursprünglich stammen die Koniks allerdings aus Polen. Die Rasse geht auf die bis ins 17. Jahrhundert in Polen lebenden Tarpane zurück.

Während Paula erzählt, beobachten wir, wie einige der Junghengste imposante Kämpfe aufführen. Was von Weitem ziemlich wild und gefährlich aussieht, ist ein kleines Machtkamp-Spiel, erklärt Paula. Immer wieder steigen die Junghengste auf zwei Beine und schmeißen ihre Köpfe nach hinten. Mit ein wenig Abstand springen zwei Fohlen glücklich über die Weide und versuchen immer wieder, ihre gelangweilten Eltern zum Mitmachen zu animieren.

Wir dürfen mit Paula noch etwas dichter an die Herde, die sich inzwischen an unseren Anblick gewöhnt zu haben scheint. Auch die Rinderherde macht sich derweil über die Rasenfläche her. Pferde und Rinder leben hier in einer friedlichen Koexistenz. Sie ergänzen sich sogar sehr gut. Beide sind für die Landschaftspflege zuständig und sorgen dafür, dass der Bewuchs auf den Weide-, Moor- und Brackwasserflächen auf der Halbinsel Geltinger Birk begrenzt wird. Nur so entsteht die halboffene Weidelandschaft, in der viele Vögel eine geeignete Brutstätte finden.

Als nach einer guten halben Stunde Pferde-Beobachtung doch noch ein Schauer über uns hereinbricht, machen wir uns langsam auf den Rückweg. Das war ein besonderer Moment, Pferde in freier Wildbahn zu sehen – jedenfalls fast frei. Wir passieren auf dem Rückweg einige Rohrstangen auf dem Boden. Da die Pferde diese nicht überqueren mögen, dienen diese quasi als unsichtbarer Zaun, damit die Herde die Geltinger Birk nicht verlässt.

Die Führung zu den Wildpferden dauert zirka drei Stunden und findet aufgrund der Brutzeiten nur in der Zeit von Juli bis Oktober statt. Anmeldung und eine Spende für den Verein sind erbeten.

Jana Walther - Portraitfoto

Von Jana Walther

Jana ist als gebürtiges Nordlicht bei Wind und Wetter in Schleswig-Holstein unterwegs – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Orten und spannenden Geschichten. Wenn sie mal nicht bei einem Cappuccino mit Meerblick in ihrer Heimat Kiel in die Tasten haut, findet man sie abseits des Trubels auf unbekannten Pfaden in den Naturschutzgebieten des Landes.