Unbekannte Juwelen entlang der Nordseeküste

Plattes grünes Land so weit das Auge reicht. Unzählige Schafe, die auf den Deichen grasen. Gemütliche Reetdachhäuser, Windräder am Horizont, der Wechsel der Gezeiten und diese unglaubliche Weite des Meeres, das sich hier gerne mal etwas rauer und stürmischer zeigt: Das ist für mich Nordsee-Feeling pur. Kein Wunder, dass es vielen anderen Menschen da genau wie mir geht und sie deshalb hier Urlaub machen – auf der Suche nach Entschleunigung, Ruhe und faszinierender Natur.

Grüner Strandkorb auf Wiese an der Nordsee
© CC0

Sankt-Peter-Ording lockt mit seinem kilometerlangen Sandstrand und den imposanten Pfahlbauten. Husum und Büsum sind beliebte Hafenstädtchen und auf den Nordseeinseln geht es zu jeder Jahreszeit aufs Wasser. Doch auch abseits bekannter Pfade gibt es an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste einiges zu entdecken. Schon mal was von Schobüll, den Binnendünen oder mystischen Wäldern an der Nordsee gehört? Vermutlich eher weniger. Doch es gibt sie: die unentdeckten Naturparadiese an der Westküste.

Mit dem Fahrrad lassen sich die weniger bekannten Fleckchen an der Nordsee sportlich und dazu noch komplett an der frischen Luft entdecken. Aber Achtung: Hier weht gerne mal eine steife Brise und meist kommt der Wind – wie sollte es auch anders sein – von vorne. Ein E-Bike ist daher keine schlechte Idee.

Wir starten unsere Nordseefahrradtour in Husum und verlassen direkt den malerischen Hafen und lassen heute auch mal das Husumer Schloss links liegen. Es geht auf den Nordseeküsten-Radweg, zumindest auf einen kleinen Teil davon. Denn die North Sea Cycle Route, wie die komplette Strecke genannt wird, ist der längste ausgeschilderte Radweg auf der Welt.  Auf rund 6000 Kilometern Länge führt er nicht nur an der schleswig-holsteinischen Nordsee entlang, sondern auch durch Dänemark, Schweden, Norwegen, England, Belgien und den Niederlanden.

Zwischen Watt und Wald: auf nach Schobüll

Wir bleiben heute allerdings „nur“ in Nordfriesland und nehmen die Route in Richtung Schobüll – einem weniger bekannten Ortsteil im nordwestlichen Husum. Der Blick in Richtung Wasser ist hier einzigartig – und dass sogar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn solch eine freie Sicht auf die See gibt es nur hier. Es braucht in Schobüll nämlich keine Deiche, um die Nordsee in Schach zu halten. Statt der tiefliegenden Marsch grenzt die Hügellandschaft Geest ans Meer – und die erledigt die Aufgabe des Küstenschutzes. Unbedingt das Rad einmal kurz abstellen und die Seebrücke bis zum Ende entlanglaufen und den freien Blick aufs Wasser genießen. Das ist wirklich ein Erlebnis!  

Auch der Wald ist von der Seebrücke aus nicht weit und so geht es auf dem Drahtesel weiter ins Grüne. So viel Waldfläche gibt es in Nordfriesland nicht und daher verwundert es nicht, dass der Ort den Namen „Schobüll“ trägt. Das Wort stammt aus dem Dänischen und heißt übersetzt „Walddorf“.  Sobald ich die grüne Oase betrete, vergesse ich, dass das Meer nur einen Steinwurf von hier entfernt liegt. Die unglaubliche Kraft des Waldes wirkt sofort beruhigend. Der Erlebnispfad vermittelt zudem Spannendes über Geologie und Geschichte dieses Ortes.

Radfahrerin in den Süderlügumer Binnendünen in Nordfriesland
© Textkombüse

Dünen ohne Meer

Von hier aus geht es weiter Richtung Norden – ins rund 50 Kilometer entfernte Süderlügum. Auch hier erwartet uns einer dieser unentdeckten und zugleich ungewöhnlichen Orte Nordfrieslands: die Süderlügumer Binnendünen. Dünen, die nicht am Wasser liegen? Genau das verbirgt sich hinter diesem Naturschutzgebiet im gleichnamigen Ort. Wir sind schon fast an der Grenze zu Dänemark im Nordwesten Schleswig-Holsteins. Die Dünenlandschaft erstreckt sich auf rund 40 Hektar. Ein schmaler Weg führt mitten hindurch und kann entweder zu Fuß oder auch mit dem Rad durchquert werden. Hinter jedem nächsten Hügel vermute ich wieder das Meer – doch Fehlanzeige. Wir sind im nordfriesischen Binnenland. Heidelandschaft trifft auf Hügellandschaft. Und wieder gesellt sich völlig unerwartet ein Waldstück dazu. Mit seinen dicht gewachsenen Nadelbäumen und den alten mit Moos überzogenen Baumstümpfen wirkt dieser richtig mystisch. Sind wir eigentlich noch in Schleswig-Holstein oder in den märchenhaften Wäldern Norwegens unterwegs, wo Elfen und Trolle ihr zu Hause haben? Auch wenn wir glauben, die Nordseeregion zu kennen, gibt es sie noch: diese unbekannten Orte, die uns ins Staunen versetzen.

Jana Walther - Portraitfoto

Von Jana Walther

Jana ist als gebürtiges Nordlicht bei Wind und Wetter in Schleswig-Holstein unterwegs – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Orten und spannenden Geschichten. Wenn sie mal nicht bei einem Cappuccino mit Meerblick in ihrer Heimat Kiel in die Tasten haut, findet man sie abseits des Trubels auf unbekannten Pfaden in den Naturschutzgebieten des Landes.