Lichterglanz mit Zimtnote: Weihnachtszeit in Rendsburg

Genau 825 Jahre liegen zwischen der ersten urkundlichen Erwähnung Rendsburgs und meinem Entschluss, mich diesem geschichtsträchtigen Pünktchen auf der schleswig-holsteinischen Landkarte in einem Städtetrip zu widmen. Längst überfällig, könnte man sagen. Aber Zeit ist etwas Relatives. So habe ich mir ganz bewusst das Jahresende für ein Wochenende in Rendsburg ausgesucht. Denn jetzt verlangsamt sich alles, bis der Schnelllebigkeit endlich die Puste ausgeht, und sie Platz für Ruhe und Besinnlichkeit macht, für Erinnerungen und Wünsche, Lichterglanz und Keksduft.

Außenansicht Altes Rathaus Rendsburg
© sh-tourismus.de

Einfach nur „glöcklich“

Idealer Startpunkt ist der Altstädter Markt. Hier gerate ich in Null Komma Nix in Weihnachtsstimmung. Fast jeder trägt eine Mütze und ein Lächeln, überall leuchten Lichter und Weihnachtssterne in den Fenstern, und dann, als hätte man nur auf mich gewartet, ertönt das Glockenspiel im Treppengiebel des Alten Rathauses. Die Geschichte des Alten Rathauses lässt sich bis ins Jahr 1466 zurückverfolgen. Über die Jahrhunderte hinweg hat es sich immer wieder optisch verändert. Heute fallen besonders das Stadtwappen an der Fassade und der charakteristische Schwibbogen, mit dem sich das Gebäude in den Altstädter Markt hineinstreckt, ins Auge. Hinter dem Rathaus ragt die Spitze der St.-Marien-Kirche in den Winterhimmel. Das älteste Gemäuer der Stadt stammt aus dem Jahr 1287. 

Geschichte atmen

Nach einem kleinen Spaziergang am Stadtsee vorbei erreiche ich den zwei Hektar großen Paradeplatz, den einstigen Mittelpunkt der barocken Festung Rendsburg. Drehe ich mich einmal um die eigene Achse, streift mein Blick die Garnisonskirche und -apotheke, das Provianthaus, die Kommandantur und das Arsenal, das heute keine Waffen mehr lagert, sondern Bibliothek, Volkshochschule und zwei Museen zu einem Kulturzentrum vereint. Die Namen der Straßen, die strahlenförmig auf den Paradeplatz zulaufen, entsprechen nebenbei bemerkt der Sitzordnung an der Dänischen Königstafel – beispielsweise die „Prinzessinstraße“. Von hier aus wäre es nur ein Katzensprung zum Nord-Ostsee-Kanal, diesen hebe ich mir aber für morgen auf, da ich heute noch eine Verabredung mit zwei Rendsburger Originalen habe …

Detailaufnahme eines Tannenzapfens, der neben einem Hagebuttenkranz liegt. Eine Lichterkette ist um den Kranz gewickelt und ein weiß gepuderter Apfel liegt oben auf der Deko.
© CC0

Weihnachtszauber – einmal „mit Schuss“, bitte

Zurück zum Altstädter Markt. „Stutentrine“ und „Markgraf“ sind auch im winterlichen Wochenendgetümmel nicht schwer zu erkennen. Sie haben sich für einen Adventsspaziergang durch die weihnachtliche Rendsburger Altstadt ins historische Gewand geworfen und versorgen die interessierte Gästeschar während der Erlebnis-Stadtführung mit charmant verpackten Anekdoten. Zum Ausklang wärmen wir uns gemeinsam an einem Punsch auf dem Schiffbrückenplatz auf. „Lütte Wiehnacht“ nennen die Rendsburgerinnen und Rendsburger ihren Weihnachtsmarkt. Es duftet nach gerösteten Maronen, Glühwein und gebrannten Mandeln. Davon kaufe ich mir gleich ein Tütchen. Für Sonntag hat sich der Weihnachtsmann höchstpersönlich angekündigt. Ich darf nicht vergessen, ihm zu sagen, dass ich mir einen Bildband über Rendsburg wünsche. Oder neue Schlittschuhe! Denn zur Lütten Wiehnacht gehört die Eisbahn der Stadtwerke SH wie rote Nasen zu Rentieren. 

Brückentag mal anders

Über zehn Brücken musst du gehen, oder wie war das noch? Zumindest stehen heutzutage zehn Brücken zur Verfügung, um den Nord-Ostsee-Kanal zu überqueren, davon vier Eisenbahnbrücken, von denen – Hochdonn, Grünental und Levensau mögen es mir verzeihen – die Rendsburger Eisenbahnhochbrücke die spektakulärste ist: 100 Jahre alt, 2.486 Meter lang, 42 Meter hoch. Und es ist sogar ein Schleifchen dran! Um den Höhenunterschied zwischen Bahnhof und Brückenauffahrt auszugleichen, passieren die Züge nämlich zunächst die 4,5 Kilometer lange, ellipsenförmige „Rendsburger Schleife“. Die denkmalgeschützte Eisenbahnbrücke ist ein Wahrzeichen Rendsburgs und zählt zu den bedeutendsten Brücken Europas. 

Die längste Bank in Rendsburg am Nord-Ostsee-Kanal
© sh-tourismus.de

Christbaum mit 5 bis 6 Knoten

Am Fuße der Eisenbahnbrücke, auf Rendsburger Seite, liegt das Café Brückenterrassen mit Schiffsbegrüßungsanlage. Bei einer Tasse Tee erfahre ich allerhand über die beiden dicken Pötte, die doch tatsächlich mit Weihnachtsbäumchen an Deck ganz gemächlich an uns vorbeiziehen. Denn das Team der Begrüßungsanlage stellt sie den Gästen ausführlich vor – mit Namen, Herkunft, Zielort – und heißt die Schiffe mit ihrer jeweiligen Nationalhymne willkommen. Mischt sich da ein bisschen Fernweh in meine Adventsstimmung? Oder bin ich nur gerührt, dass es sich die Crews fern von Familie und Heimat an Bord etwas festlich machen? 

Mein liebstes Weihnachtsplätzchen

Auf mich wartet ein kleiner Spaziergang am Kanal bei herrlich klarer Winterluft, nur um mich dann gleich wieder hinzusetzen. Aber nicht irgendwo, sondern auf der längsten Parkbank der Welt. Kalkuliert man mit 30 Zentimetern pro Po, finden hier 1.191 Personen und mein Rucksack Platz. Und wann lässt es sich schöner zusammenrücken als zur Weihnachtszeit? Hier sitze ich nun, genieße die Stimmung der untergehenden Sonne und packe mein Tütchen mit gebrannten Mandeln aus, auf die ich mich schon den ganzen Tag freue. Die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt liegt mir hier buchstäblich zu Füßen. Nach meiner kleinen Pause gehe ich zurück Richtung Stadtkern. Der Anblick des weihnachtlichen Rendsburger Lichtermeers wärmt mich von innen. Bald geht das Jahr zu Ende. Aber meine Freundschaft zu diesem Städtchen hat gerade erst begonnen.

Tipps

  • Das Glockenspiel im Alten Rathaus spielt täglich ab 10 Uhr alle zwei Stunden.
  • Führungen durchs Alte Rathaus kann man unter Tel. 04331-21120 buchen.
  • Mittwochs und samstags ist Wochenmarkt auf dem Paradeplatz.
  • Rendsburg bietet verschiedene Erlebnis-Führungen an – für Einzelpersonen und Gruppen. Anmeldung in der Rendsburg Information im Alten Rathaus am Altstädter Markt, auch per E-Mail (tourismus@rd-tm.de) oder telefonisch (04331 / 66 345 66).
  • Der Rendsburger Weihnachtsmarkt De lütte Wiehnacht findet diesen Winter vom 25. November 2024 bis 5. Januar 2025 statt. An den Adventssonntagen ab 15 Uhr ist der Weihnachtsmann für kleine und große Kinder da.
  • Am 6. Dezember von 15 – 17 Uhr besucht der Nikolaus die lütte Wiehnacht und bringt den Kindern eine Überraschung mit.
  • Die Stadtwerke SH Eisbahn hat vom 25. November 2024 bis 5. Januar 2025 geöffnet. Hier kann man Eislaufen oder Eisstockschießen und sogar an Schlittschuhkursen teilnehmen. Am letzten Tag wird der Weihnachtszauber feierlich mit einem verkaufsoffenen Sonntag (12 bis 17 Uhr) beendet – eine gute Gelegenheit, seine Weihnachtsgutscheine in den zahlreichen Geschäften einzulösen.
  • Die Schiffsbegrüßungsanlage öffnet von November bis März samstags und sonntags von 11 Uhr bis Sonnenuntergang, ab April täglich ab 11 Uhr.
  • Führungen zur Plattform der Rendsburger Eisenbahnbrücke finden von April bis Oktober immer sonntags um 14 und 15.30 Uhr statt. Infos unter Tel. 04331-663 4566.
Porträt von Tina Ott

Von Tina Ott

Dem Geburtsort im Ausweis zufolge mag sie zwar eine Karlsruher Suppennudel sein. Aber Tina ist seit Jahrzehnten mit Leib, Seele und Vokabular eingenordet: zu Hause in Kiel, glücklich bei Meerblick und gleichermaßen vernarrt in die norddeutsche Landschaft wie in den trockenen Humor der Menschen, die zwischen den Meeren leben und lachen.