Radeln für die deutsch-dänische Freundschaft: Unterwegs auf dem Radfernweg Grenzroute

Grenzenloses Fahrvergnügen, grenzenloses Urlaubsglück! Wer hätte gedacht, dass sich das ausgerechnet am Wegesrand der sogenannten Grenzroute – oder auch Grænseruten – findet. Denn während dieser Radfernweg von Küste zu Küste die im Zick-Zack-Kurs geführte Trennlinie zwischen Dänemark und Deutschland 13-mal überschreitet, verschwimmt die Grenze zwischen Aktivurlaub und Wellness, zwischen Fahrtwind und steifer Brise.

Ein Picknickkorb steht geöffnet auf einer Decke, die auf einer Wiese liegt. Im Hintergrund steht ein Fahrrad.
© sh-tourismus.de/MOCANOX

Vom Nordseedeich bis zur Flensburger Förde oder umgekehrt, entlang längst verlassener deutscher Zoll- und dänischer Grenzhäuschen wehen die Flaggen beider Nationen im selben Wind. Im Westen die weite Marsch, landeinwärts die Geest mit Binnendünen und Heide, Richtung Osten das Hügelland als Signatur der Eiszeit: Die beschilderte Strecke bietet fantastische Landschaftsmotive, die man in beliebiger Reihenfolge sortieren kann. Rückenwind weht allerdings meistens von Westen her. Rund 40 Informationspunkte versorgen uns unterwegs mit ortsbezogenen und mitunter ulkigen Geschichtchen vom Leben an der Grenze. Auf uns warten 200 Kilometer, verteilt auf fünf entspannte Tagestouren. Auf geht’s!

Schulterblick mit Zimt und Zucker

Bevor wir uns in den Sattel schwingen, packen wir eine Picknicktasche mit Gemüsewraps, Zimtschnecken, Smoothies und Kaffee und werfen parallel einen Blick auf die Historie dieser so außergewöhnlichen Region, die in den kommenden Tagen sowohl unsere Beine als auch unsere Herzen bewegen wird. Nach dem Versailler Friedensvertrag von 1919 fanden in der deutschen Grenzregion im damaligen Herzogtum Schleswig Volksabstimmungen statt. Die Mehrheit im Norden stimmte für eine dänische Staatszugehörigkeit, die im Süden für eine deutsche. Die ursprüngliche Grenzlinie rutschte daraufhin ein gutes Stück nach unten – wohin genau, wusste zunächst niemand so richtig. Wo genau die 279 Grenzsteine zu platzieren waren, darüber musste sich zunächst die internationale Grenzregulierungskommission die Köpfe zerbrechen. So wurde womöglich mancher Streckenabschnitt von einem japanischen und einem italienischen Experten diskutiert und festgelegt. Die Nord- und Südschleswiger arrangierten sich so oder so damit! Ab Dänemarks Beitritt zum Schengen-Raum im Jahr 2001 gehörten die Grenzkontrollen ohnehin zur Geschichte. Davon, was heute noch daran erinnert, wollen wir uns nun ein eigenes Bild erradeln.

Tag 1: Von Flensburg nach Wallsbüll

Die zauberhafte kleine Hafenstadt Flensburg lassen wir heute hinter uns, wohl wissend, dass wir uns ihr bei unserer Rückkehr noch ausführlich widmen werden. Ziel unserer ersten Etappe ist Wallsbüll. Gemütlich radeln wir unter Schleswig-Holsteins milde gestimmter Sonne. Und plötzlich, als hätten wir unbemerkt ein magisches Portal passiert, finden wir uns in einer afrikanischen Savanne wieder: dem Naturerlebnisraum Stiftungsland Schäferhaus. Um ein Haar wären wir hier sogar dem Waldelefanten begegnet, wir haben ihn lediglich um ein paar hunderttausend Jährchen verpasst. Die „Big Five“ hier und heute hören eher auf die Namen Galloway (Robustrind), Konik (Wildpferd), Lila-Goldfalter (Schmetterling), Neuntöter (Vogel) und Spaziergänger (wir). Auch die Pflanzenwelt hat hier manchen Vertreter mit klangvollem Namen versammelt: Heidenelke, Bergsandglöckchen und Nickende Distel zum Beispiel. Wir nicken zurück und lassen den Blick weiter schweifen. Bis 1997 hatte das Areal als Militärgelände gedient, dann erwarb es die Stiftung Naturschutz. Die Rinder und Pferde verrichten nun gewissenhaft ihren Dienst als Landschaftsgärtner auf den Wilden Weiden, während wir uns mithilfe der verschiedenen Informationsstationen mit dem Artenreichtum und der archäologischen Bedeutung des Naturschutzgebietes vertraut machen. 

Radfahrerin in den Süderlügumer Binnendünen in Nordfriesland
© Textkombüse

Tag 2: Von Wallsbüll nach Süderlügum

Am zweiten Tag steuern wir Süderlügum an. Erster Höhepunkt des Tages, und zwar im wahrsten Sinne, ist die Aussichtsplattform im Naturschutzgebiet der Süderlügumer Binnendünen. Von dort oben genießt man einen grandiosen Blick über das über 40 Hektar große Gebiet, auf dem sich mächtige Sandverwehungen auftürmen. In den Dünentälern bewegen sich die rosa Köpfchen der Glockenheide im Wind – in bester Nachbarschaft mit der schwarz glänzenden Krähenbeere. Wir durchqueren das Naturschutzgebiet entlang des unterhaltsamen Dünenlehrpfads, für den wir uns erst am übernächsten Tag beim Naturkundemuseum Niebüll persönlich bedanken können. So viel gute Luft macht hungrig. Also zurück in den Ortskern von Süderlügum. Der Grenzhandel hat das Städtchen über die Generationen geprägt und lädt uns auch heute auf einen kleinen Bummel ein. Im Købmandsgården Süderlügum statten wir uns mit ein paar dänischen Leckereien für unterwegs aus. 

Tag 3: Von Süderlügum nach Højer

Hoch, Højer, am Høchsten: An diesem Tag dürfen wir die Grenzroute aus der Vogelperspektive bewundern. Mit einem Segelflugzeug des Luftsportvereins Südtondern starten wir vom Flugplatz in Aventoft. In luftiger Höhe sehen wir stecknadelkopfgroße Fahrradhelme, die sich auf unserer Wegstrecke gleichmäßig fortbewegen. So sehen wir also von oben aus! Aus der Luft nähern wir uns mit respektvollem Abstand dem Gotteskoog, also der Definition nach einem durch Deichbau aus Seemarschen gewonnenem Landstrich. Mit 10.000 Hektar ist dieser der größte Koog in Nordfriesland. In seiner goldenen Mitte funkelt der Gotteskoogsee. Dieses Süßwasserbiotop ist im Grunde genommen das Ergebnis einer Wiedergutmachung an der Tier- und Pflanzenwelt, die aufgrund menschlichen Eingreifens lange Zeit stark gelitten hatte. Heute leben hier Rohrweihe und Rohrdommel, Blaukehlchen, Bartmeise und sogar Seeadler friedlich miteinander – eben ganz so wie die deutschen und dänischen Familien hier in der Grenzregion. Nach einer sanften Landung steigen wir wieder auf unsere Fahrräder und freuen uns auf eine Mütze Schlaf in unserer gemütlichen Unterkunft in Højer.

Außenansicht vom Naturkundemuseum Niebüll
© Nordseeküste Nordfriesland | Markus Rohrbacher

Tag 4: Von Højer nach Leck

An diesem Tag gönnen wir uns einen Abstecher Richtung Süden und nehmen im Naturkundemuseum Niebüll zunächst an einer Führung durch die Erlebnisausstellung teil. Von der Landschaft dies- und jenseits der deutsch-dänischen Grenze haben wir nämlich längst noch nicht genug. Im Anschluss daran steht die Wanderausstellung „Gemeinsam fürs Klima aktiv werden“ von der Initiative „Bewirk“ auf dem Programm. Im Land zwischen den Meeren gedeihen etliche Ideen und Innovationen, von denen man sich auf dieser Ausstellung zum Mit- und Nachmachen inspirieren lassen kann: Kostenlose Lastenräder, Tiny Forests, Erntehilfe auf öffentlichen Streuobstwiesen, klimafreundliche Ernährung – wir nehmen so viel mit an diesem Tag! 

Tag 5: Von Leck nach Flensburg

Wie schade, dass schon unsere letzte Etappe ansteht. Und doch zaubert das Flair der traditionsreichen Seehandelsstadt, das vom hübschen Hafenzipfel zu uns hinüberweht, sofort ein Lächeln auf unsere Gesichter. Flensburg hat uns wieder. In einer der urigen Altstadtgassen, die wie aus der Zeit gefallen scheinen, lassen wir uns kulinarisch nach Strich und Faden verwöhnen. Es gibt Fischsuppe vorneweg, Matjes als Hauptgang, rote Grütze zum Nachtisch und Dänisch am Nebentisch – wer hätte es geahnt. An diesem Abend lassen wir unsere Räder stehen und genießen einen ausgiebigen Spaziergang zu den Traditionsseglern im Museumshafen. Und wir sind uns einig: Das war Radurlaub mit Genuss.

Tipps:

  • Gebietsgemeinschaft Grünes Binnenland e. V. hat verschiedene Pauschalreisen entlang der Grenzroute mit komfortablen Serviceleistungen zusammengestellt. So auch die Pauschale „Grenzroute: Genießer-Tour“.
  • Gönnen Sie Ihrem Fahrrad vor der Tour einen Check-up, um in Dänemark ein mögliches Bußgeld für ein defektes Rücklicht o. ä. zu vermeiden.
  • Behalten Sie Ihre Pässe während der gesamten Tour griffbereit.
  • Die Wanderausstellung „Gemeinsam fürs Klima aktiv werden“ gastiert bis 31. August 2024 im Naturkundemuseum Niebüll.
  • Es gibt viele schöne Einkehrmöglichkeiten. Packen Sie trotzdem für unterwegs Proviant ein, da nicht an jeder Etappe in unmittelbarer Nähe zum Radwanderweg gastronomische Angebote vorhanden sind. 

 

Mehr Informationen finden sich hier:

www.gruenes-binnenland.de

https://www.sh-tourismus.de/grenzroute

www.bettundbike.de

 

Porträt von Tina Ott

Von Tina Ott

Dem Geburtsort im Ausweis zufolge mag sie zwar eine Karlsruher Suppennudel sein. Aber Tina ist seit Jahrzehnten mit Leib, Seele und Vokabular eingenordet: zu Hause in Kiel, glücklich bei Meerblick und gleichermaßen vernarrt in die norddeutsche Landschaft wie in den trockenen Humor der Menschen, die zwischen den Meeren leben und lachen.