Die NordArt in der Carlshütte ist eine der größten Ausstellungen zeitgenössischer Künstler in Europa. Unsere Autorin hat sich hinter den Kulissen umgeschaut.
NordArt: Große Künstler zu Gast in Büdelsdorf
Venedig hat seine Biennale, Kassel die documenta und Büdelsdorf die NordArt. Büdelsdorf? Nie gehört? Aufmerksame Kunstfreunde wissen, dass in dem kleinen Ort bei Rendsburg eine der größten und spannendsten Ausstellungen zeitgenössischer Kunst stattfindet. Kurz vor der Eröffnung im Juni wird noch geschraubt und gehämmert. Viele Künstler sind seit Wochen vor Ort und bauen ihre Arbeiten selbst auf. Während hier die Farbe eines Bildes trocknet, wird dort noch eine Stellwand gestrichen. Es wird geschweißt und Beton gemischt. Ein Kunstwerk muss noch umplatziert werden, weil sich ein besserer Platz dafür ergeben hat. „Für jedes Bild einen guten Ort zu finden, ist wie einen Film vorzubereiten, bei dem der Zuschauer am Ende glücklich nach Hause geht“, sagt Wolfgang Gramm, der Kurator der NordArt. „Auf diesem Gelände entsteht Kunst, und das spüren die Besucher.“
Jedes Werk steht im Verhältnis zur Umgebung
Die NordArt ist ein Gesamtkunstwerk, das sich jedes Jahr neu erfindet. Jede Arbeit steht nicht nur für sich selbst, sondern auch im Verhältnis zu den anderen und ihrer Umgebung. Wie aus dem Himmel gefallen wirken die oft monströsen Skulpturen zwischen den alten Bäumen rund um die Industriehallen der Carlshütte, einer stillgelegten Eisengießerei am Nord-Ostsee-Kanal.
Harte Juryarbeit: Aus 3000 Bewerbern 200 auswählen
Seit 22 Jahren leitet Wolfgang Gramm die NordArt, gemeinsam mit seiner Ehefrau Inga Aru als Ko-Kuratorin. Mit jedem Jahr wurde die Schau größer. Anfangs waren nur 30 Künstler vertreten. Heute hat eine Jury die immense Aufgabe, aus den rund 3000 Bewerbungen 200 Künstler auszuwählen. Sie kommen aus aller Welt, Newcomer ebenso wie Renommierte. Einige von ihnen waren schon häufiger dabei. „Die Künstler mögen die familiäre Atmosphäre, sie sehen die NordArt als ihre Heimstatt“, sagt Wolfgang Gramm. Die Ausstellung ist unter Kreativen auch deshalb beliebt, weil die beiden Kuratoren selbst Künstler sind. Sie kennen die Nöte und Befindlichkeiten.
Internationale Themenvielfalt – Kritisches ausdrücklich erwünscht
Auch beim Publikum kommt die Schau an. Mehr als 100 000 Menschen haben sich auf der letzten NordArt von der Malerei, den Videos, Installationen und Skulpturen bezaubern lassen. Rund 100 000 Quadratmeter misst die Ausstellungsfläche. „Wir haben Platz für Großes, genau das hat uns immer gereizt“, sagt Wolfgang Gramm. Niemand, der dabei war, wird die roten, geflügelten Hirsche vergessen, die der tschechische Bildhauer Michal Gabriel durch Halle IV schweben ließ. Für seine „Geburt der Venus“, einer Plastik aus dem 3-D-Drucker, hat er 2018 den NordArt-Preis gewonnen. Ein Blickfang ist auch die „Muse of Industry II“ von Ko-Kuratorin Inga Aru. Gelb leuchtete der weibliche Akt aus glattem Stahl aus dem Jahr 2016.
Langfristige Kooperationen mit internationalen Künstlern sind wichtig
Die NordArt ist keine Verkaufsmesse. „Wir versuchen immer, ein Thema entstehen zu lassen“, sagt Inga Aru. Umwelt und Ökologie – das sind die Themen, die Kunstschaffende rund um den Globus beschäftigen. Die Installation „Erbsünde“ des chinesischen Bildhauers Liu Ruowang, die im Jahr 2016 den Park bespielte, lässt sich als Zivilisationskritik deuten: Die 36 wuchtigen und 3,50 Meter hohen Gorillas aus Bronze könnten einem Bange machen, wenn sie nicht so betrübt in den Himmel blickten. Zehn von ihnen haben nach der NordArt den Kieler Landtag bewacht. Inzwischen sind sie wieder da. In diesem Jahr liegt der Länderschwerpunkt auf Künstlern aus der Ukraine, Zentralasien und Südkorea. Ihre Arbeiten bekommt man sonst kaum zu sehen. Ohne langfristige Kooperationen mit den Kunstszenen in aller Welt wären sie gar nicht hier. „Wir müssen unsere Kontakte pflegen, wenn wir erfolgreich sein wollen“, sagt Inga Aru.