Herbstallerliebst: Große Radrundtour in der Holsteinischen Schweiz

Herbstwind im Rücken und die Aussicht auf glitzernde Seen: Dass ich mein ganz persönliches Urlaubsglück bei durchschnittlich 18 km/h in Schleswig-Holsteins größtem Naturpark finden würde, hätte ich niemals für möglich gehalten. Nur Spaß. Ich war mir schon vorher sicher …

Die Sonne geht über einem ruhigen See unter. Ihr Licht spiegelt sich golden im Wasser. Am Bildrand hängen herbstlich gefärbte Blätter in Rot- und Gelbtönen herab.
© sh-tourismus.de/MOCANOX

Zugegeben, bei meiner Arbeitskollegin musste ich ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, aber als alter Radwanderhase habe ich starke Argumente parat. Die Holsteinische Schweiz ist ein Paradies, das im Herbst in tausend Farben leuchtet. Beim Radwandern füllen sich Lunge und Herz mit Luft und Liebe. Und am Wegesrand sammeln wir mit unseren Augen landschaftliche und architektonische, historische und kulturelle Schmuckstücke auf: Herrenhäuser, Schlösser und schmucke Städtchen, dichte Wälder, 200 Seen und das Meer, außerdem charmante Menschen und himmlisch gute Heißgetränke.

 

Blick über einen See auf das Eutiner Schloss, umgeben von herbstlich gefärbten Bäumen.
© Anne Weise_Eutin Tourismus

Tag 1: Panta rhei. Alles fließt.

Wir kommen samt Rädern und Gepäck morgens in Eutin an. Vier Tage wollen wir uns Zeit nehmen für die 204 Kilometer Radweg und insgesamt 798 Höhenmeter.

Das erste Highlight lässt nicht lange auf sich warten: das Schloss am Großen Eutiner See. Das 800 Jahre alte Wahrzeichen der Stadt ist umgeben von einem Wassergraben und einem Landschaftsgarten nach englischem Vorbild. Für unseren ersten Halt haben wir uns den Kellersee im Ortsteil Fissau ausgesucht. Hier genießen wir unser Frühstückspicknick mit Blick auf den See und ein Kunstwerk mitten im Wasser: hölzerne Gänse auf dem Weg nach Norden.

Danach gönnen wir uns einen Abstecher zum Holzbergturm in Neversfelde. Das 32 Meter hohe Stahlkonstrukt auf dem knapp 90 Meter hohen Hügel gibt bei gutem Wetter den Blick bis zum Kieler Fernsehturm und den Hotelhochhäusern in Travemünde frei. So wie heute!

Fürs nächste Etappenziel zieht’s uns wieder ans Wasser. Wer sein Rad liebt, der schiebt – und zwar entlang der zauberhaften Diekseepromenade! An ihrem westlichen Ende gelangt man durch ein Wäldchen zu den Malenter Spiegelteichen, die durch kleine Bachläufe miteinander verbunden sind, und zu Kneippbecken für Beine und Arme. Mit frisch wachgerüttelten Lebensgeistern erreichen wir unsere erste Unterkunft in Plön.

Das weiße Plöner Schloss mit seinen Türmen und dunklen Dächern thront über herbstlich gefärbten Bäumen.
© TI GPS Oliver Bock

Tag 2: Carpe diem. Nutze den Tag.

Im Großen Plöner See, übrigens dem größten See Schleswig-Holsteins, spiegelt sich das Gemäuer des fast vierhundert Jahre alten Plöner Schlosses. Seine strahlend weiße Farbe hat das Backsteingebäude „erst“ im 18. Jahrhundert bekommen. Nicht weniger imposant finden wir den reetgedeckten Fachwerkbau der Dunkerschen Kate im benachbarten Bosau. Es ist sowohl für seine Kunstausstellungen als auch das historische Backhaus bekannt. So wunderbar aus der Zeit gefallen dieses Plätzchen auch ist, es wird Zeit, ein bisschen Strecke zu machen. Bis zu unserem nächsten Etappenziel in der Schusterstadt Preetz gibt es nur noch eine winzige Verschnaufpause im Gemeindegarten Dersau. Schließlich fährt meine Kollegin ihre Boccia-Kugeln nicht zum Spaß quer durch die Holsteinische Schweiz!

Blick auf eine Dünenlandschaft mit Strandhafer, die in einen breiten Sandstrand übergeht. Rechts rauscht die Ostsee unter einem Himmel mit dichten Wolken und blauen Lichtfeldern.
© Hohwachter Bucht Touristik/Charlotte Wiegert

Tag 3: Ora et labora. Bete und arbeite. 

Mit unermüdlichem Fleiß führten die Nonnen das ehemalige Benediktinerkloster in Preetz zu wirtschaftlicher, kultureller und geistlicher Blüte. Klosterhof und -kirche stammen aus dem frühen 13. Jahrhundert und zählen heute zu den beeindruckendsten Kulturdenkmälern im deutschen Norden. Sind wir beseelt genug für heute? Fast. Denn auch die St. Servatius Kirche zu Selent wollen wir auf unserer Tagesroute Richtung Hohwacht nicht einfach an uns vorbeifliegen lassen. Stattdessen legen wir hier ein weiteres Päuschen ein, um noch ein bisschen Geschichte zu schnuppern.

Tag 4: Finis coronat orpus. Das Ende krönt das Werk.

Wie viel Magie im verträumten Fischerdörfchen Hohwacht schlummert, realisieren wir erst bei Sonnenaufgang so richtig. Sandstrände, Steilküsten, Reetdachkaten, Flundern. Moment! Es ist nur eine „Flunder“ – und zwar die Seeplattform an der Promenade am Hauptbadestrand. Hier können verliebte Paare „Ja“ sagen. Wir sagen „Jaaa“ mit drei a zu unserem Radwunderwanderweg durch die Holsteinische Schweiz.

Weinreben in der Sonne
© sh-tourismus.de/MOCANOX

Wieder Zeit für einen Abstecher, und zwar zum Ingenhof in Malkwitz – Weingut, Erdbeerhof, Ferienhof, Feldcafé. Die Erdbeersaison haben wir verpasst, aber für die Weinlese ist unser Timing goldrichtig. Bei selbstgebackenem Kuchen stoßen wir mit einem Secco aus dem nördlichsten Weinanbaugebiet Deutschlands auf unseren perfekten Kurzurlaub an. 

Ein letzter Höhepunkt (im wahrsten Sinne) ist der Bungsberg, Schleswig-Holsteins „größter Hügel“ mit stolzen 168 Metern. Die Aussicht soll grandios sein. Wer auch immer in diesem Moment auf der Aussichtsplattform des Fernmeldeturms steht, sieht uns beide glücklich vorbeiradeln. Denn mit unserem Ausgangs- und Endpunkt Eutin nähert sich das Ende unserer Reise. Nächstes Mal fahren wir gegen den Uhrzeigersinn, abgemacht!

Porträt von Tina Ott

Von Tina Ott

Dem Geburtsort im Ausweis zufolge mag sie zwar eine Karlsruher Suppennudel sein. Aber Tina ist seit Jahrzehnten mit Leib, Seele und Vokabular eingenordet: zu Hause in Kiel, glücklich bei Meerblick und gleichermaßen vernarrt in die norddeutsche Landschaft wie in den trockenen Humor der Menschen, die zwischen den Meeren leben und lachen.