„Gut Panker ist kein Museum, sondern ein lebendiges Dorf“ – Zu Besuch beim Grafen

Wir haben seine Königliche Hoheit Donatus Landgraf von Hessen auf dem Landgut Panker besucht und mit ihm über die Gutsgemeinschaft in Dorf und seine Trakehner gesprochen. Außerdem hat er uns verraten, wo er am liebsten zur Ruhe kommt.

Außenansicht vom Ole Liese
© Nils Bröer / Raufeld Medien

Wie kommt ein Landgraf von Hessen in den Norden an die Ostseeküste? Von Frankfurt bis Gut Panker sind es immerhin 600 Kilometer.

Ich bin in Kiel geboren und auf Gut Panker aufgewachsen. Meine Schulzeit habe ich in Schleswig-Holstein im Internat in Lousienlund verbracht und habe anschließend in Hamburg studiert. Ich bin also ein richtiges norddeutsches Kind. Das Haus Hessen ist hierhergekommen, weil Friedrich Landgraf von Hessen, damaliger König von Schweden, für seine Frau zur Linken, mit der er einige Kinder hatte, die Besitzungen hier gekauft hat. Das war zwischen 1739 und 1741. Bezahlt hat er natürlich mit hessischen, nicht mit schwedischem Geld!

Der Großteil von Panker ist bis heute erhalten geblieben. Wir haben fast ausschließlich historische Gebäude, außer dem Kuhstall von 1963, der aber mittlerweile auch schon historisch ist. Panker war dabei immer schon autark. Es gab eine Meierei, eine Kneipe mit einer Kutscherstube, eine Poststation, Schulräume und im Nachtwächterhaus sogar zwei Gefängniszellen.
 

Wo haben Sie hier als Kind gespielt?

Hier waren so viele Kinder, das glauben Sie gar nicht. Als ich klein war, waren hier rund 30 Kinder unterwegs. Ich kannte jeden auf dem Hof. Mittlerweile sind es weniger Kinder geworden. Aber es sind auch Menschen hiergeblieben, mit denen ich als Kind aufgewachsen bin. Und es kommen immer wieder neue Leute dazu. Wir haben Mitarbeiter, die in der sechsten Generation bei uns sind, zum Beispiel unsere Haushälterin. Das finde ich großartig. Sie gehört mittlerweile zur Familie.
 

Die Historie der Landgrafen und Landgräfinnen von Hessen reicht bis in das Jahr 1263 zurück. Nachhaltigkeit ist immer auch eine Frage des generationenübergreifenden Handelns. Inwiefern schärft eine lange Familientradition Ihren Blick für nachhaltiges Handeln in der Gegenwart?

Nachhaltigkeit ist mittlerweile ein Modebegriff geworden. Aber ich glaube, das ist etwas, das bei uns im Haus immer sehr stark verankert war. Was wir bekommen, übernehmen wir als Lehn, um es an die nächste Generation weiterzugeben. Diese Aufgabe erfordert es, langfristig zu denken. Das gilt insbesondere für die Landwirtschaft. Wenn wir nur auf kurzfristige Profite schauen, zerstören wir die Ressourcen. Seit Generationen versuchen wir deshalb nachhaltig zu wirtschaften, weil wir sonst den Ast absägen, auf dem wir sitzen. In der Praxis ist das natürlich nicht immer so einfach, das muss man auch sagen.
 

Außenansicht Gut Panker
© Nils Bröer / Raufeld Medien

Wie sieht die nachhaltige Bewirtschaftung auf Gut Panker aus?

Wir haben für das Hotel und Restaurant Ole Liese unseren eigenen Kräutergarten, den unser Koch angelegt hat. Den nutzen wir für die Zubereitung unserer Speisen und der ist auch substantiell groß für dieses Haus. In der Landwirtschaft haben wir Blühflächen und Lerchenlandeplätze auf den Feldern, wo sie sich niederlassen können. Aber das sind alles Tropfen auf den heißen Stein. Wir müssen die gesamte Landwirtschaft in den Blick nehmen.
 

Was bedeutet das konkret?

Wenn man über nachhaltige Landwirtschaft spricht, kann es auch nicht nur Bio sein, weil Bio noch nicht die Produktivität hat, die wir brauchen. Zu Beginn der 1950er Jahre waren wir 2,5 Milliarden Menschen auf der Welt, heute sind wir fast acht Milliarden – bei fast gleicher Ackerfläche. Die Zahl der großen Hungersnöte ist zurückgegangen. Das konnten wir nur mit einer leistungsfähigeren Landwirtschaft erreichen. Wenn wir jetzt nur noch Bio produzieren, hungern die Menschen. Das ist ein Teil der Wahrheit.

Der andere ist natürlich, dass wir lernen müssen, nachhaltiger zu wirtschaften. Ich bin gespannt, wie das in Deutschland wird, denn langfristig werden die Lebensmittelpreise steigen. Nicht nur das Brot wird teurer, auch das Fleisch könnte das Sechsfache kosten. Da ist gerade eine große Diskussion im Gange und wir müssen sie seriös weiterführen.

Wir müssen lernen, uns zu beschränken, weil Ressourcen endlich sind. Zu behaupten, dass nur Bio gut sei und die konventionelle Landwirtschaft per se schlecht, ist zu kurz gedacht. Am Ende werden sich konventionelle- und Biolandwirte annähern. Die Konventionellen werden nachhaltiger arbeiten müssen und die Biobauern müssen effizienter werden.
 

Das Portfolio des Hauses Hessen umfasst neben führenden Hotels und einem Weingut auch das Landgut Panker. Hier leben und arbeiten seit 2008 rund 80 Menschen in einer Gutsgemeinschaft. Erwächst aus der Tradition auch eine Verantwortung für das Miteinander?

Das Gut ist kein Museum, sondern ein lebendiges Dorf. Die Einwohner sind auch nicht alle bei uns angestellt, sondern es gibt viele selbstständige Unternehmer, Künstler, kleine Läden. Wir achten aber darauf, dass sie in unsere Dorf- und Arbeitsgemeinschaft hineinpassen. Das Miteinander und der Wert von Gemeinschaft im Dorf sind mir sehr, sehr wichtig.

Es ist ein evolutionärer Prozess, so etwas verändert sich ständig. Ich persönlich schätze es, wenn ich die Leute, die hier mit uns arbeiten, nebenan treffe, mich mit ihnen unterhalte und merke, dass sie engagiert sind. Das ist wichtig und genau davon lebt dieser Ort.
 

Naturlandschaft bei Gut Panker
© Nils Bröer / Raufeld Medien

Sie begreifen sich auch als Teil dieses Dorfes?

Selbstverständlich! Das ist mein Zuhause. Mir ist wirklich ganz wichtig, dass sich Panker optimal weiterentwickelt und relevant bleibt. Für die Region und natürlich auch für unsere Gäste.

Im Winter gibt es hier einen Weihnachtsmarkt. Dann finden den ganzen Tag lang Lesungen in den Shops statt. Im Sommer haben wir ein kleines Sommerfest mit Jazzkonzerten. Auch unser traditionelles Fohlenbrennen ist ein Event, bei dem hier immer viel los ist.
 

Gut Panker ist überregional bekannt. Im Dorf leben viele Künstler und Kunsthandwerker, die ihre Arbeiten in Galerien ausstellen. Wie schaffen Sie eine gute Mischung und was muss man tun, um in die Gutsgemeinschaft aufgenommen zu werden?

Sie müssen natürlich etwas zu unserem Standort beitragen. Es erfordert ein gewisses Commitment, hierher zu kommen. Aber die Leute, die erst mal hier sind, bleiben auch. Hier gibt’s keinen, der kurz reinkommt und dann wieder weggeht. Man muss sehr engagiert und findig sein.

Wir hatten mal einen sehr engagierten Gastwirt, der hieß Peter Marxen, der hat über dreißig Jahre das Gasthaus Hessenstein geleitet. Peter Marxen wurde ja durch seine Kneipe Onkel Pö in Hamburg bekannt, wo Udo Lindenberg, Al Jarreau, Helen Schneider, all diese Künstler, auftraten. Peter Marxen stammte aus der Nachbarschaft und ist nach seiner Zeit in Hamburg wieder hierher zurückgekehrt. Das Forsthaus Hessenstein liegt sehr schön im Wald, direkt unter dem Turm „Hessenstein“. Das ist übrigens der höchste Punkt in Schleswig-Holstein. Mit dem Auto sind es nur 2-3 Minuten von Panker. Vom Turm aus hat man den besten Blick: Dänemark, Kiel, Selenter See; lohnt sich. Lohnt sich wirklich.
 

Das Landgut ist kein Museum, sondern nach wie vor Wohnsitz Ihrer Familie. Wo kommen Sie zur Ruhe?

Ich laufe sehr viel, fahre Fahrrad und gehe im Sommer auf die Koppeln. Das ist natürlich ein Privileg, mich dort aufhalten zu dürfen. Oder ich gehe ans Wasser. Ich bin wirklich gerne hier draußen unterwegs. Einer meiner Lieblingsorte ist der Hessenstein. Einfach dort oben stehen und den Blick genießen. Das ist schon toll.
 

Das Gestüt Panker gehört zu den ältesten Trakehner Gestüten Deutschlands, viele Pferde sind preisgekrönt. Sie sind ein ausgewiesener Trakehner-Experte. Inwieweit passt der Charakter dieser Pferde in den echten Norden?

In den echten Norden passen sie schon historisch. Früher waren die Zuchtbetriebe besonders im Norden angesiedelt, weil Luft und Boden hier von sehr guter Qualität sind. Die Weiden müssen nahrhaft sein, sonst kann man dort keine Pferde züchten. Atemprobleme kennen wir hier gar nicht. Und man braucht natürlich Platz! Den haben wir hier. An die Trakehner sind wir nach dem zweiten Weltkrieg gekommen. Die meisten Tiere sind mit ihren Besitzern aus dem damaligen Ostpreußen geflohen. Viele Tiere sind dabei umgekommen. Die wenigen, die überlebt haben, wurden dann in einem Bundesverband zusammengebracht.

Wir haben in der Folge zwei Verbandsgestüte gegründet, Panker und Rantzau. Dort haben wir Stuten zusammengezogen und Hengste dazugestellt. Es gab nur noch ca. 200 Stuten nach dem Zweiten Weltkrieg und zwei Dutzend Hengste. Die Bauern, die mit Treckwagen hierherkamen, haben ihre Tiere in unsere Obhut gegeben. Die Abmachung war, dass wir uns um die Pferde kümmern und dafür jedes zweite Fohlen behalten dürfen. Das war für alle eine gute Situation. So haben wir das Gestüt bekommen. Und da hängt wirklich mein Herz dran! Ich bin mit Pferden aufgewachsen und habe schon mit vier Jahren Reiten gelernt.
 

Mehrere Personen stehen auf einem Reitplatz. In der Mitte steht ein Pferd mit Fohlen. Neben dem Reitplatz sitzen Zuschauer.
© Nils Bröer / Raufeld Medien

Was zeichnet die Trakehner aus, die Panker so stark prägen?

Die meisten unserer Kunden sind Sportreiter. Dass Trakehner als Arbeitspferde genutzt wurden, ist schon lange her. Heute sind es Sport und Freizeitpferde. Wir versuchen, jedes Jahr 1-2 Hengste zu züchten, die wir dann auf dem Hengstmarkt in Neumünster anbieten. Vom Charakter her sind Trakehner nicht anders als andere Pferde, vielleicht sind sie ein bisschen sensibler. Sie brauchen ein bisschen länger, um erwachsen zu werden. Aber dann – in meinen Augen – altern sie viel besser.

Wir wollen das Trakehner Pferd als Kulturgut erhalten. Die Trakehner wurden ursprünglich vom preußischen König als Militärpferd gezüchtet. Man muss sich vorstellen: Die Tiere mussten bis zu 170 Kilo tragen. Da kam einiges zusammen: Der Reiter mit 80 Kilo, der Sattel mit 20 Kilo, dann das Futter, der Kürass, die Lanze und, und, und.
 

Wie schaffen Sie es, Impulse für Gastlichkeit auf Gut Panker hineinzugeben, worauf können sich Ihre Gäste in Zukunft freuen?

Gastlichkeit ist etwas, das sich ständig verändert. Wenn jemand hierherkommt, dann möchten wir, dass er eine schöne Zeit hier verbringt und zwar auf einem zeitgemäßen Niveau. Früher hatten wir Röhrenfernseher, jetzt haben wir Flachbilddisplays und ein hervorragendes Internet. Das ist natürlich nur Beiwerk, wenn man seinen Urlaub hier verbringt, aber ich denke, die Menschen möchten immer das sowohl als auch. In unserem Restaurant haben wir zwei Küchen: eine Sterneküche, die wegweisend ist, wie auch „Der Feinschmecker“ sagt, und wir haben eine konventionelle Küche. Ich finde es wichtig, dass man den Menschen Angebote macht, damit sie frei entscheiden können. Wir haben das im Schlosshotel Kronberg, das auch zum Haus Hessen gehört, erfahren. Früher musste man dort ein Jackett tragen, wenn man ins Restaurant wollte. So etwas kann man heute niemandem mehr aufzwingen.

Und es kommt natürlich auf die Menschen an. Wir haben hier Frau Dominik, die das Hotel und das Restaurant Ole Liese leitet und das ganz ausgezeichnet macht. Die Hoteldirektorin muss vorne sein und Mitarbeiter müssen Freude daran haben, hier zu arbeiten. Diesen Spaß zu erhalten, das ist eine ganz große Herausforderung. Denn am Ende ist es ja doch Arbeit.
 

Was glauben Sie, was schätzen Ihre Gäste hier an Gut Panker am meisten?

Ich glaube, dass es einen sehr unverdorbenen Eindruck macht. Es hat schon etwas Museales, aber es ist nicht verstaubt. Wir leben hier in einer echten Idylle und wenn man herkommt, merkt man, dass es keine Kulisse ist. Es ist kein Freilichtmuseum, denn da laufen sie alle mit historischen Kostümen herum. Da sind wir hier schon viel weiter.