Mit ihrem kilometerlangen feinen Sandstrand und den grasenden Schafen auf dem Deich wirkt die Insel Föhr wie eine absolute Naturidylle. Doch wenn die Tage kürzer werden, Herbst und Winter Einzug erhalten, zeigt sich das Eiland von einer ganz anderen Seite. Sagen und Mythen ranken sich um die Nordseeinsel. Kleine Gnome sollen nachts ihr Unwesen treiben und die Geister der Seefahrer noch immer auf der Insel weilen.
Föhr: Von Seefahrer-Legenden, sprechenden Grabsteinen und friesischer Identität
Wenn der Morgennebel die Insel einhüllt und außer vereinzeltem Vogelgeschrei absolute Stille herrscht, versprüht die Insel Föhr eine fast schon unheimlich schöne Stimmung. Während das Meer kaum zu sehen und der Himmel wolkenverhangen ist, kommen Geschichten in den Kopf. Geschichten von verlorenen Seefahrern, versunkenen Schiffen, versteckten Schätzen. Wer dann durch die kleinen charmanten Dörfer mit ihren reetgedeckten Häusern wandelt, kann schon mal das Gefühl bekommen, dass auf Föhr die Grenze zwischen der realen und der magischen Welt verschwimmt.
Zeiten der Walfänger und Seefahrer
Um die Nordseeinsel ranken sich zahlreiche Erzählungen und Legenden. Kein Wunder, denn die Geschichte des Eilands ist geprägt von dem goldenen Zeitalter der Föhrer Walfänger und Seefahrer. Die ersten Inselbewohner sollen 2000 Jahre vor Christus aus Jütland gekommen sein. Die kleinen Hügelgräber entlang der Südküste Richtung Uetersum und Hedehusum zeugen noch heute davon. Erinnerungen an die Wikingerzeit hält die Lembecksburg in Borgesum wach – ein zehn Meter hoher Ringwall. Schon Kinder im Alter von nur zehn Jahren fuhren damals zum Walfang raus aufs Meer. Wegen ihrer guten Ausbildung waren die Föhrer Seefahrer überall sehr begehrt – allen voran der „Glückliche Matthias“, der wohl bekannteste und erfolgreichste Walfänger Nordfrieslands. Seine und viele andere Geschichten werden auch heute noch lebendig gehalten – dank der sogenannten „sprechenden Grabsteine“.
Diese stehen auf den Friedhöfen der St. Johannis Kirche in Nieblum, der St. Nicolai Kirche in Boldixum sowie der St. Laurentii Kirche in Süderende. Die Inschriften der Grabsteine berichten von dem Leben der Seefahrer, von ihren Familien, von ihren Erfolgen und Misserfolgen. Bei einer Tour über die Friedhöfe werden ihre Geschichten aufrechtgehalten und Besucher können mehr über das Leben und Wirken der Föhrer erfahren.
Fering: Das Föhrer Friesisch lebt weiter
Wer noch mehr Insel-Geschichte erleben möchte, der sollte unbedingt auch dem Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum einen Besuch abstatten. Schon am Eingang wird man von einem Tor aus mächtigen Blauwalkieferknochen begrüßt und taucht im Inneren des Museums ein in die Walfang- und Seefahrergeschichte. Schiffsmodelle und Navigationsinstrumentelassen frühere Zeiten wieder aufleben. Ein Abstecher in die volkskundliche Abteilung lohnt sich ebenfalls. Denn hier sind die kunstvollen Föhrer Trachten mit ihrem kostbaren Silberschmuck ausgestellt. Die aufwendigen Kleider werden auch heute noch von den Föhrer Frauen getragen, meist zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder zur Konfirmation. Die Tracht hat einen hohen Stellenwert und wird meist von Generation zu Generation weitergegeben.
Bei einem Besuch auf Föhr wird jedem sofort klar: Ihre Kultur ist den Insulanern enorm wichtig. Auch die Sprache der Insel – das sogenannte „Fering“ – wird heute noch vielerorts gesprochen. Das Föhrer Friesisch lebt im Alltag fort und wird ganz bewusst innerhalb der Familie an die jüngeren Generationen weitergegeben. Sogar ihre Abiturprüfung können die Schülerinnen und Schüler im Fach Friesisch ablegen. Das ist weltweit einzigartig.
Tipps:
- Wer selbst mal hören möchte, wie Fering klingt, kann in den „Friisk Funk“ reinhören. Aus dem Radiostudio der Ferring Stiftung in Alkersum wird montags bis freitags von 8 bis 10 und 14 bis 16 Uhr auf der Frequenz 96,7 MHz eine Livesendung in friesischer Sprache gesendet. https://ferring-stiftung.de/friiskfunk/
- Wer mehr über die Sagen und Mythen der Nordseeinsel erfahren möchte, der kann bei Fackelschein an einer speziellen Wanderung teilnehmen. Termine und weitere Infos gibt es auf der Internetseite der Insel: https://www.foehr.de/fuehrung-am-strand-sagen-und-mythen-bei-fackelschein-371
Von Jana Walther
Jana ist als gebürtiges Nordlicht bei Wind und Wetter in Schleswig-Holstein unterwegs – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Orten und spannenden Geschichten. Wenn sie mal nicht bei einem Cappuccino mit Meerblick in ihrer Heimat Kiel in die Tasten haut, findet man sie abseits des Trubels auf unbekannten Pfaden in den Naturschutzgebieten des Landes.