Der rauen Nordsee ganz nah: Zu Besuch auf den nordfriesischen Halligen

Sie scheinen fernab von der Zivilisation. Mal liegen sie ganz friedlich da, zur Sturmflut wiederum sind sie der Kraft der Natur ausgeliefert und wirken fast schon zerbrechlich: die nordfriesischen Halligen. Dichter Theodor Storm nannte sie einst „Schwimmende Träume“. Das trifft es ganz gut, wenn man diesen faszinierenden Orten mit ihrer einmaligen Naturlandschaft inmitten des schleswig-holsteinischen Wattenmeers einen Besuch abstattet.

Zwei Kutschen fahren durch das Wattenmeer bei Nordstrand.
© CC0

Allein der Weg zu einer der insgesamt zehn Halligen vor der nordfriesischen Küste Schleswig-Holsteins ist ein echtes Abenteuer. Sie liegen schließlich inmitten des Nationalparks Wattenmeer. Bei Ebbe zu Fuß durch das Watt wandern (natürlich nur mit einer Wattführerin oder einem Wattführer), mit dem Fahrrad über den Damm radeln oder per Lore in Richtung Kurzurlaub. Der wohl ungewöhnlichste Weg aufs Eiland führt auf die Hallig Südfall. Von der Halbinsel Nordstrand aus geht es in einer Pferdekutsche durch das Wattenmeer – ein ganz besonderes Erlebnis. Da die Hallig Südfall ein Naturschutzgebiet von besonderem Rang ist, darf sie nur mit autorisierten Wattführern oder eben per Kutsche betreten werden. Maximal 50 Personen sind pro Tag als Gäste erlaubt. Dafür erwartet einen vor Ort eine üppige Vegetation mit Strandnelke, Wermut, Strandastern und Halligflieder. Im Sommer liegt ein atemberaubender Duft über der Hallig und macht den Besuch zu einem genussvollen Erlebnis.

Übernachten auf der Hallig

Während die Hallig Südfall nur besucht werden kann, dürfen Urlaubende auf Langeneß, Hooge, Oland, Gröde oder Nordstrandischmoor sogar über Nacht bleiben. Ob nun für einen oder gleich für mehrere Tage: Jede der Halligen versprüht ihren ganz eigenen Charme. Wattwandern, Angeln, kulinarische Köstlichkeiten genießen, Baden zwischen den Salzwiesen, Vögel beobachten oder die Flora und Fauna bestaunen: Auf den Halligen wird einem so einiges geboten.

Zu meinen persönlichen Favoriten gehört die Hamburger Hallig. Mit nur vier Kilometern Entfernung vom Festland ist sie bequem zu Fuß oder mit dem Rad zu erreichen. Betreut wird das 1,1 Quadratkilometer große Eiland vom Naturschutzbund NABU. Bei dem geführten Rundgang geht es von Mai bis September in eineinhalb Stunden um die Hallig. Es erwartet uns eine besonders üppige und artenreiche Salzwiesenlandschaft. Im Frühjahr sowie im Herbst machen hier bis zu 30.000 Weißwangengänse Rast.

Das Wattenmeer mit Wattwurm-Sandhaufen
© sh-tourismus.de/Lena Stoppel

Regionale Köstlichkeiten im Hallig-Krog

Außerdem sehenswert: das Amsinck-Haus. Das Gebäude steht direkt am Deich vor der Hamburger Hallig und bietet Wissenswertes rund um den Nationalpark. Von einem Standard-Infozentrum ist das Amsinck-Haus allerdings weit entfernt. Im Innen- und Außenbereich geht es interaktiv zu. Knöpfe drücken, Schubladen öffnen und durch die kleinen Fenster linsen und reichlich Spannendes über Küstenschutz, Landwirtschaft und die Natur erfahren: Das ist garantiert nicht nur etwas für Kinder! Tipp: Auch der Wattwerkstatt einen Besuch abstatten und spektakuläre Funde aus dem Wattenmeer entdecken.

Nach all den atemberaubenden Natureindrücken und den spannenden Einblicken geht es zur Stärkung in den legendären Hallig-Krog – das einzige Gebäude auf der unbewohnten Hamburger Hallig. Hier steht der einstige „Traumschiff“-Koch Erik Brack hinterm Herd und bringt traditionelle Hausmannskost in einem neuen Gewand auf den Teller. Unbedingt „Don´t call it a Schnitzel“ probieren. Dahinter verbirgt sich Filet vom nordfriesischen Landrasse-Schwein in knuspriger Vollkorn-Kürbiskernpanade mit Zitronenbutter, Meersalzkartoffeln und Schmortomaten. Da läuft einem doch schon beim Lesen das Wasser im Mund zusammen, oder? 

Die Ringelgans hautnah erleben

Mein zweiter Hallig-Favorit führt uns nicht unbedingt an einen bestimmten Ort, sondern zu einer bestimmten Zeit auf die Halligen. Klar, so ein Eiland-Besuch hat zu jeder Jahreszeit seinen Reiz, doch ganz besonders ist es, wenn sich die Ringelgänse auf ihrem Weg aus dem Winterquartier in die Brutgebiete machen. Ihr hübscher heller Ringel am Hals, der ihr auch den Namen gibt, fällt auf dem dunklen Federkleid direkt ins Auge – und macht die Ringelgans unverwechselbar.

Riesige Schwärme mit zehntausenden von Vögeln landen im Frühjahr auf den sattgrünen Wiesen der Halligen. Dort bedienen sie sich an Gräser und Kräutern, um sich für die lange Reise gen Sibirien zu stärken. Da dieses Naturschauspiel so besonders ist, gibt es gleich eine ganze Veranstaltungsreihe zu den sogenannten Ringelganstagen im April und Mai. Wie wäre es mit einer Vogelsafari zum Rastgebiet der Ringelgänse, eine Wattführung in die Speisekammer der Ringelgans, Gottesdienste, Bildervorträge oder aber Hallig-Hopping in der Biosphäre Wattenmeer? Die Auswahl ist vielfältig und stellt die Ringelgans in den Mittelpunkt. Ein guter Grund, den Halligen einen Besuch abzustatten und hautnah zu erleben, warum diese ganz besonderen Fleckchen Erde so schützenswert sind.

Zum Hintergrund: Da die Halligen regelmäßig den Sturmfluten und dem Anstieg des Meeresspiegels ausgesetzt sind, benötigen sie besonderen Schutz. Die Häuser stehen daher auf aufgeschütteten Erdhügeln, den sogenannten Warften. Auch Sommerdeiche schützen die kleinen Marschinseln in der Nordsee. Genau wie die anderen nordfriesischen Inseln haben Halligen eine besondere Funktion. Sie fungieren als eine Art Wellenbrecher und beruhigen so die unruhige See. Für das schleswig-holsteinische Festland sind sie somit ein wichtiger Schutz vor Sturm und hohem Wellengang.

Jana Walther - Portraitfoto

Von Jana Walther

Jana ist als gebürtiges Nordlicht bei Wind und Wetter in Schleswig-Holstein unterwegs – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Orten und spannenden Geschichten. Wenn sie mal nicht bei einem Cappuccino mit Meerblick in ihrer Heimat Kiel in die Tasten haut, findet man sie abseits des Trubels auf unbekannten Pfaden in den Naturschutzgebieten des Landes.