Wer glaubt, Winter in Schleswig-Holstein bedeute, sich jeden Abend bei einer Tasse Tee am Kamin zu verkriechen, der hat weit gefehlt. Denn auch in der dunklen, kalten Jahreszeit heißt es im echten Norden: Ab nach draußen! Denn hier erwartet dich bei ausgiebigen Spaziergängen nicht nur die einmalige Landschaft in einem neuen Gewand, sondern auch ganz besondere Lichtmomente, welche die scheinbar triste Jahreszeit in eine magische Welt verwandeln.

Glanzvolle Winterspaziergänge im echten Norden
Normalerweise schließt das Freilichtmuseum in Molfsee mit Beginn der dunklen Jahreszeit seine Türen. Doch in diesem Winter ist das anders. Mit Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich das weitläufige Gelände nahe Kiel jeden Tag in einen magischen Ort. Ein Ort der Lichter, ein Ort der Träume, ein Ort der fabelhaften Wesen. Der Lichterpark „LUMAGICA“ ist zum ersten Mal zu Gast in dem Landesmuseum für Volkskunst und schafft mit seinen aufwendigen Lichtinstallationen und imposanten Skulpturen eine ganz eigene Welt. Ein winterlicher Spaziergang bei Nacht, der einfach nur verzaubert.
Lichterpark taucht dunkle Jahreszeit in ein neues Licht
Beim Betreten des Freilichtmuseums begrüßt mich der sagenumwogende Nachtwächter – eine imposante Lichtskulptur, die mit ihrer Laterne den Weg in die magische Welt bereitet. Die erste winterliche Bude im Eingangsbereich lasse ich zunächst hinter mir. Dorthin werde ich am Ende meines Besuchs noch einmal zurückkehren und mir eine süße Leckerei nach der Lichtershow genehmigen. Es geht zunächst durch den glitzernden Torbogen, unter dem sich Liebende küssen sollen, vorbei an fabelhaften Lichtgestalten wie Schneeeulen, Polarfuchs oder Einhorn, weiter entlang des Pfades, an dem die urigen Katen in farbiges Licht getaucht werden. Es eröffnet sich ein völlig neuer Blick auf diese Traditionshäuser, welche bei Tageslicht die bäuerliche Wohnkultur und das dörfliche Handwerk Schleswig-Holsteins vermitteln sollen. Die einstigen Wohn- und Arbeitsstätten werden zu magischen Teilen dieser mystischen Lichterwelt. Ins Auge sticht die imposante Mühle, die wechselnd in grünes, blaues und rotes Licht getaucht wird und mich sofort in ihren Bann zieht.
Der Weg führt weiter zu dem magischen Liebesbaum mit seinen glitzernden Herzen, die sogar zu leuchten beginnen, wenn sich ein Paar unter ihnen näher kommt. Vielleicht der perfekte Ort, um auf die Knie zu gehen? Fabelhafte Wesen aus tausenden von Lichtkugeln wie Schmetterlinge, Vögel und natürlich auch Bauernhoftiere begleiten mich auf meinen Weg durch den Park.
Zu den absoluten Höhepunkten gehört mit Sicherheit die Lichtinstallation des Pfaus, der majestätisch auf der Wiese thront – umgeben von seinen zahlreichen Eiern, die im Takt der Musik aufleuchten. Die Besucher werden auch immer wieder in die Installationen aktiv eingebunden. So kann ich zum Beispiel selber am Steuerrad drehen und die Eier in den verschiedenen Farben erstrahlen lassen.
Auch das Haus des ehemaligen Walfängers ist in den Lichterparcours eingebunden. Ein imposanter Wal inklusive Walgesänge schmückt den Platz vor dem historischen Gebäude. Während er seine Laute über das Gelände erklingen lässt, überragt der Hirsch gegenüber fast alle Figuren. Auf insgesamt 1,5 Kilometern führt mich der Licht-Parcours über das 40 Hektar große Museumsgelände – vorbei an mehr als 74 Skulpturen. Ein paar kleine Buden sorgen dafür, dass die Besucher bei einem heißen Punsch die kunstvollen Installationen noch einmal auf sich wirken lassen können.
Besuch im Jahr100Haus
Wer neben dem Lichterspektakel noch einen Einblick in die Alltags- und Kulturgeschichte des nördlichsten Bundeslandes erleben möchte, sollte unbedingt auch dem Jahr100Haus einen Besuch abstatten. Das neue Ausstellungsgebäude hat erst 2021 eröffnet und erzählt anhand von Alltagsgegenständen die Geschichten der Menschen in Schleswig-Holstein. Von einem alten Schuhdurchleuchtungsgeräts aus den 50er-Jahren über einen Holzschlitten und einen Kinderwagen bis hin zum Reklame-Schild eines Eis-Ladens: Alles Dinge, die den Alltag im Land prägten.
Das Wattenmeer bei Nacht erleben
Lichter spielen auch bei der Nachtwanderung durch das Schleswig-Holsteinische Wattenmeer eine der Hauptrollen. Ganz genau – durch den Nationalpark geht es im Norden auch im Dunkeln! Während es in Molfsee um künstliche Lichtinstallationen geht, entdeckst du am Strand von St. Peter-Ording „echte“ Lichter mit echten Funktionen. Das grüne Licht über dem Weißen auf offener See zeigt an, dass hier gerade jemand in der Dunkelheit am Fischen ist. Ein paar Meter daneben blitzt immer wieder ein großer Lichtkegel auf: der Leuchtturm von Helgoland. Auch wenn man am Tag nichts von der Insel sehen kann, bei Nacht scheint sie durch das aufblitzende Licht plötzlich so nahe. Kein Wunder, denn Helgoland hat das stärkste Feuer an der Nordseeküste. Auch das Licht des Amrumer Leuchtturms ist noch schwach zu erkennen und natürlich der Lichtkegel des Westerhever Exemplars. In weiter Ferne blinken auch immer wieder rote Punkte auf – die Windräder von Dithmarschen.
Bei klarer Sicht geht das Lichterspektakel am Himmel über dem Wattenmeer natürlich weiter und mit etwas Glück kannst du vor dir auch das sogenannte Meeresleuchten sehen – kleine blaue Lichtblitze im Wasser, die eben nur in der Dunkelheit zu erkennen sind.
Es geht aber bei der Nachtwattwanderung um mehr als sich von den Lichtern beeindrucken zu lassen. Es geht darum, seine Sinne zu schärfen und das Naturschutzgebiet mal auf eine neue Weise zu erleben. Der Rotschenkel bei seinem nächtlichen Gesangskonzert, das Rascheln der Windjacken, die Schritte auf der hölzernen Seebrücke, das Rauschen des Meeres in der Ferne: Plötzlich erscheint alles viel deutlicher. Was vorher kaum ans Ohr drang, ist plötzlich klar zu vernehmen. Eine Wattwanderung bei Nacht ist eben ein Erlebnis, das die Sinne schärft und eine neue Perspektive auf diesen so schützenswerten Ort ermöglicht.
- Infos zu den Nachtwanderungen In St. Peter-Ording

Von Jana Walther
Jana ist als gebürtiges Nordlicht bei Wind und Wetter in Schleswig-Holstein unterwegs – immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Orten und spannenden Geschichten. Wenn sie mal nicht bei einem Cappuccino mit Meerblick in ihrer Heimat Kiel in die Tasten haut, findet man sie abseits des Trubels auf unbekannten Pfaden in den Naturschutzgebieten des Landes.